Der Künstler im Profil
- geboren am 24. September 1947, in Ramsei, Gemeinde Lützelflüh, Kt. Bern
- Lehre als Feinmechaniker — danach Wechsel ins Kunsthandwerk: Bauern- und Schriftenmaler, Restaurator, Uhrmacher, «Pendulier» und Illustrator.
- 1974 – 1975 Kunstgewerbeschule Bern, Gestaltungskurs
- 1976 – 1977 Unterricht bei Hans Schwarzenbach und Carl Speglitz
- Seit 1978 freischaffender Kunstmaler, Illustrator und Cartoonist
- Verheiratet und Vater zweier Kinder.
Andere über Fritz
- Fritz Indermühle †
Bleibende Erzählung eines verstorbenen Freunds von Fritz Steffen
Ich mache einen Rundgang durch unser Haus, bleibe vor Bildern meines Freundes Fritz Steffen stehen. Sie sind mir alle von Anfang an lieb gewesen und sie sind mir lieb geblieben, das Eine wie das Andere. Sie bilden einen Querschnitt über zwanzig Jahre Schaffen von Fritz. Es steckt eine gewaltige Entwicklung in der Reihe. Jedes einzelne Bild macht ja bei Fritz Steffen in sich selbst eine Entwicklung durch, bis es «steht» oder anders gesagt, bis es nicht mehr unter den Pinsel genommen wird. Kein einziges ist einfach so hingemalt. Bei den ersten fühle ich mich an Landschaften erinnert, die mir vertraut sind: eine Gegend bei Schwarzenburg, ein Blick vom Stockhorn. Wohlverstanden: Ich fühle mich daran erinnert, nicht Fritz Steffen. Ich lese das aus den Bildern heraus. Die späteren Werke schaue ich mit anderen Augen an. Da ist unser grosses blaues Bild in der Wohnstube, das wie für diesen Raum, für diese Wand geschaffen scheint. Es erzählt je nach Beleuchtung, je nach Stimmung des Betrachters immer wieder Anderes. Das Auge konzentriert sich auf die ineinander verschlungene runenhafte Figur unten auf dem Bild oder es entdeckt neue Farben, die durchschimmern, Rot und Gelb, welche die verschiedenen, wunderschön aufeinander abgestimmten Blau bereichern, wärmen. Oder es bleibt am intensiv grünen geschwungenen Strich in der linken Bildhälfte hängen, der dort einfach sein muss, ebenso wie der waagrechte weisse unten rechts, der mit ihm korrespondiert. Oder ich nehme das Meisterwerk staunend als Ganzes wahr, in dem ich keine Farbfläche, kein Detail anders haben möchte.
Ich gehe weiter ins Zimmer meines Sohnes, in dem ein Bild aus dem Jahr 2004 hängt. Ein intensives warm gelbes Rechteck in der oberen Bildhälfte kontrastiert mit einem gelbroten waagrechten Streifen unten im Bild, zusammengehalten durch feine gelbe Linien links und rechts, die rechte neckisch einwärts gebogen und durch einen mutigen lila Rahmen; getrennt andererseits durch eine intensiv blaue Fläche, in der wieder ein Runenzeichen seinen Platz hat und durch ein farbenprächtiges Rechteck, an einen Herbstasterblumengarten erinnernd. Oder das Cartoon bei unserem Eingang: Ein Mann mit Koffer steht vor einer roten Haustüre, die verschlossen ist. Keine Türfalle. Eine Hand streckt sich ihm entgegen aus einem engen Loch heraus. An der Türe steht: Grüezi! Ist das grosse weisse Schweizerkreuz vor der Tür, das sich wie eine Grube vor dem Fremdling auftut, die Falle? Ein tiefsinniges Bild, das auch Besucher und vor allem Hausierer, Fremdlinge zu Gesprächen anregt. Oder das Cartoon, das ich von meinem Chor nach 10 Jahren Leitung erhalten habe: Der Dirigent steht vor seinem Notenpult, schaut auf die Wand, auf der drei Schattensängerinnen, Schatten, geworfen durch das Notenpult und ihn selber, nach seinem emsig geschwungenen Dirigentenstab mit weit offenem Mund singen; ein köstliches, zum Schmunzeln anregendes Bild.
Und noch einmal ein Cartoon, oder eigentlich zwei im gleichen Rahmen: Im untern Bild der Minnesänger, der seiner Angebeteten im obern Bild inbrünstig sein Liebeslied singt, wärend sein Schatten ihr einen farbigen Blumenstrauss direkt vom «bluemete Trögli» überreicht. Wie manchen Blumenstrauss habe ich meiner Angebeteten nur durch meinen Schatten, also nur in Gedanken übergeben? Sicher viel mehr als in Wirklichkeit! Seit dem Tod meiner Mutter hängt ein kleines Bild bei uns, das sie sich anlässlich der Ausstellung im Schlosskeller Schwarzenburg im Herbst 2000 gekauft hat. Zielstrebig ging die damals einundneunzig Jährige darauf zu und sagte: «Das will ich.» Was hatte sie angesprochen? War es der lustige Titel «Höhlenbewohners Mittagessen»? Waren es die intensiven Rot und Grün? War es die schiefe Ebene? War es die gute Überschaubarkeit durch die kleinen Ausmasse des Bildes? Ich weiss es nicht. Aber ich weiss, dass Fritz Steffens Bilder Jung und Alt ansprechen, denn sie haben allen etwas zu erzählen.
Fritz Indermühle†, Sekundarlehrer und Grossrat SP, Schwarzenburg
- Daniel Schmidt †
Radio, Radio... bleibende Vernissagerede eines verstorbenen Freunds von Fritz Steffen
Radio ist ein wunderbares Medium: schnell, direkt und sinnlich. Und Radio lässt seinem Publikum Raum und Freiheiten, die ihm Fernsehen nicht lässt. Radio kann zum Kino im Kopf werden, wenn Zwischentöne, Obertöne, Untertöne übertragen werden und sich zu unsichtbaren Bilder-Geschichten zusammensetzten.
Radio kann Ihnen zum Beispiel vom Atelier des Meisters berichten: von diesem Raum, der ist, wie man sich das Atelier eines Malers vorzustellen hat: lichtdurchflutet, ein Raum mit grossen Fenstern, im Zentrum die – natürlich farbbekleckerte – Staffelei des Meisters, dann Tische und Gestelle mit Leinwänden und Rahmen, die Kommode mit den flachen Schubladen für die grossen kostbaren Papierbogen, Kästen und Ablagen voller Farbtuben – und ringsum die Stapel von gegen die Wand gedrehten Bildern in unterschiedlichen Stadien der Vollendung, – wenn Sie für einen Augenblick die Augen schliessen, beginnen Sie wohl den Duft nach Farben, Ölen und Lösungsmitteln zu riechen, und vielleicht erscheint, ohne dass ich das wirklich erzähle, auch das unvermeidliche, zerschlissene, bordeauxrote Sofa mit dem unvermeidlich etwas fülligen Akt-Modell… — Schnitt!
Ich kann Ihnen spezifischer und persönlicher aus dem Atelier des Malers Fritz Steffen berichten: natürlich sieht's auch da aus, wie's beim Maler auszusehen hat: lichtdurchflutet, Staffelei, Kästen und Ablagen mit unzähligen Farbtuben, – Sie wissen schon – und natürlich seine Bilder in unterschiedlichen Stadien der Vollendung, die ich da mal stehen lassen will.
Da hat's auch Werkstücke des geschickten Handwerkers, der im Maler steckt; da verbergen sich auch Geschichten des kreativen Recyclers. Nehmen wir zum Beispiel den kleinen Korpus, mit den zwei dutzend Schublädchen: erkennbar self-made. Offen bleibt, ob der Meister das Möbelchen aus wirklichem Bedarf selbst geschreinert hat – oder allenfalls aus Ratlosigkeit vor der leeren Leinwand zwischenzeitlich etwas Handfesteres in Angriff genommen hat. Oder nehmen wir dort den Stapel dicker Kartons: einst bestimmt fürs Pflanzenpressen der herbarisierenden Tante, später zweckentfremdet und zum Malgrund mutiert, heute an der Wand der Schloss-Galerie Fraubrunnen verkäuflich! — Schnitt!
Ich kann im Stil einer Home-Story auf das Umfeld des Malers fokussieren, seinen Sohn Lukas erzählen lassen, wie oft er seinen Schulkollegen und Gspänli die berufliche Tätigkeit des Vaters zu erklären, auszudeutschen hatte – nein, nicht Maler, du Gipser – sondern Maler und Künstler; oder zum Beispiel auch erklären lassen, wie gäbig der Beruf des Vaters für den kleinen Drittklässler war: dieser Vater war ja stets im Atelier zu finden: in typischer Pose an der Arbeit, Pinsel in der Hand, Kaffeetasse in Griffnähe, Zigarette am Qualmen, Radioapparat am Laufen; gleichzeitig war schon dem noch kleinen Lukas sehr bewusst, dass der Vater keinen gäbigen Job hatte wie andere Väter – mit regelmässigem Lohn am 25.
Ich kann die Home-Story weiterführen mit Tochter Eva: fernab von zu Hause stets stolz darauf, einen aussergewöhnlichen Vater vorweisen zu können: eben keinen kommunen Doktor med., Dachdecker oder Diplom-Ingenieur. Und die sich Indoor so manchen zähen Streit mit diesem – wohl artverwandten – dickköpfig-beharrlichen Alten geliefert hat… Mit diesem aussergewöhnlichen Kunstmaler-Vater, in dessen Atelier das Licht oft weit nach Mitternacht ausgeht – und den dieser dickköpfig-beharrliche Weg – oder sture Grind – wie's in Evas O-Ton heisst – (oder: konsequent – in sprachlicher Korrektheit) durch fast drei Jahrzehnte genau dahin geführt hat, wo wir ihn heute hier finden. — Schnitt!
Ich kann Fritz Steffen selber zu Wort kommen lassen – im Radio- Interview zum Beispiel Schritt für Schritt über die Atelier-Anfänge in der alten Hutfabrik, übers Schlössli, das vornehmer klingt als es war, was für die nachfolgende Fabrikantenvilla in Goldbach ebenso gilt – und chronologisch weiter bis zur heutigen Wirkungsstätte in Grünenmatt…
Ich kann in diesem Gespräch den Künstler nachdenklich nachdenken lassen über seinen täglichen Kampf mit der sprichwörtlichen «künstlerischen Freiheit» seines Berufs, über die mühsame Suche im Wegnetz dieser Freiheit, die oft genug in der Sackgasse endet…
Mit der Ernsthaftigkeit eines Arztes, der sagt «Vorsicht, Stress macht krank», sagt Steffen in diesem Interview einen Satz wie «Aufpassen, Rot macht müde». Er bekennt, dass er jeden Tag mit neuem Gwunder auf das ermüdende Rot und alle andern Farben losgeht. Er macht uns klar, dass seine Bilder ihm und uns Geschichten erzählen; und es ist ebenso klar, dass diese Geschichten unausgesprochen bleiben müssen.
Und natürlich montiere ich als Radio-Macher das wunderbare Statement, «ihm sei in all den Jahren noch nie auch nur eine Sekunde langweilig gewesen beim Malen» als hochwirksame Schlusspointe ganz ans Ende des fiktiven Radio-Gesprächs…
Sie hören, Radio ist ein wunderbares Medium und Radio kann alles. Fast alles – oder doch ziemlich viel. Und stösst hin und wieder an Grenzen. Dann nämlich, wenn – was zum Thema gesagt werden sollte, nicht gesagt werden kann: sich nicht in Worte fassen lässt.
Wo's eben – zwingend – um Bilder geht: wie hier und heute. Um die Bilder von Fritz Steffen, in denen er uns in seinen Farben, mit eigenen Formen, in eigener Ordnung und eigenem Rhythmus – in seiner Sprache – seine grossen und kleinen Geschichten erzählt…
Von allen Radio-Machern der ganzen Welt hört man an diesem Punkt zur Sprachlosigkeit immer den einen gleichen Satz: je nach Temperament ärgerlich, resigniert, wütend oder verzweifelt: «Gopferteli: jitz müesst me Bilder ha!»
Zum Glück «heimer se» – öffnen Sie die Augen, sehen Sie zu!
Vernissagerede zur Ausstellung von Fritz Steffen im Schlosskeller Fraubrunnen, 24. April 2004 von Daniel Schmidt†, Radiojournalist SRDRS.
- Werner Eichenberger
«Kunst bringt die Welt in Unordnung»
Liebe Gäste, im Namen von Fritz Steffen heisse ich Sie herzlich willkommen zu dieser aussergewöhnlichen Vernissage zur Ausstellung mit «Neuen Bildern in der Alten Kentaur». Tatsächlich: Es ist eine aussergewöhnliche Ausstellung, und für mich eine aussergewöhnliche Freude, hier zu Ihnen sprechen zu dürfen. 1996 hatte ich diese Ehre zum ersten Mal, damals in der Kulturmühle Lützelflüh.
Lieber Fritz, seither haben wir eine schöne Wegstrecke gemeinsam zurückgelegt: Wir haben bei dir im Atelier über Gott und die Welt philosophiert, über deine Bilder und über Jazz. Wir haben zusammen in der gleichen Band Dixieland gemacht. Wir waren im Marians Jazzroom, am Jazzfestival Bern, an den Jazz Nights Langnau. Wir haben Kunstausstellungen besucht, Museen und Galerien … kannst du dich zum Beispiel noch an unsere Reise ins Aarauer Kunsthaus erinnern und an die Ausstellung von Bridget Riley?
Lieber Fritz, dafür bin ich dir dankbar. Darum freue ich mich umso mehr, hier ein paar Gedanken über die Kunst im Allgemeinen und über die Malerei von Fritz im Speziellen äussern zu dürfen.
«Kunst bringt die Welt in Unordnung». Dieser Satz ist mir kürzlich irgendwo begegnet — und er soll das Leitmotiv meiner Rede sein, der rote Faden.
Wir können ganz unterschiedlich an diesen Satz heran gehen.
Wir können zum Beispiel die Betonung anschauen. Eine unterschiedliche Betonung ergibt plötzlich eine unterschiedliche Bedeutung, zum Beispiel so:
KUNST bringt die Welt in Unordnung.
Oder:
Kunst bringt die WELT in Unordnung.
Oder:
Kunst bringt die Welt in UNORDNUNG.
Wir können den Satz vom Klang her anschauen: Dann stellen wir fest, dass die ersten fünf Wörter alle einsilbig sind: Kunst — bringt — die — Welt — in … erst das letzte ist mehrsilbig. Das Wort «Unordnung» selber bringt also die schöne, gerade Ordnung der ersten Wörter durcheinander …
So weit, so gut: Interessanter ist es aber schon, den Satz inhaltlich zu analysieren.
«Kunst bringt die Welt in Unordnung».
Kunst, was ist denn das? Bis ins 18. Jahrhundert hinein bezeichnete man mit dem Begriff Kunst generell alle «menschlichen Fertigkeiten», zum Beispiel sprach man auch von Fechtkunst, von Reitkunst, der Kunst des Schachspiels usw.
Heute verstehen wir unter Kunst mehr die «menschlichen Hervorbringungen zum Zwecke der Erbauung» … diese etwas hochgestochene Definition haben wir dem guten Herrn Johann Wolfgang von Goethe zu verdanken.
In Wahrigs Wörterbuch der deutschen Sprache heisst es einfach: «Kunst ist schöpferisch gestaltende Tätigkeit des Menschen». Darunter versteht man heute vorab Theater und Literatur, Musik und Tanz, Malerei, Bildhauerei und Architektur.
Was ist denn die WELT? Ist das ein geografischer Begriff? Ist es der Globus, die Weltkugel? Ist es IHRE Welt oder MEINE Welt? Was mich umgibt? Dort, wo wir leben? Oder ist es eine Gedankenwelt?
Wir sehen, jetzt wirds schon schwieriger.
Und noch schwieriger wirds, wenn wir UNORDNUNG erklären wollen. Klar, Unordnung ist das Antonym von ORDNUNG, das Gegenteil also.
Das hilft uns aber auch nicht viel weiter … heisst Ordnung einfach bloss, dass alles schön aufgeräumt ist? Ist Ordnung das, was alle für richtig halten. Sind es allgemein anerkannte Regeln für unser Verhalten?
Und: Ist denn Ordnung an sich schon etwas Positives? Entsteht nicht aus der Unordnung, aus dem Chaos, wieder Neues, eine neue Ordnung? Und: Sind Unordnung und Ordnung absolute Werte? Oder gibts da auch Modeströmungen?
Lassen wir das also — wir alle verstehen den Satz auch ohne grosse Wissenschaft: «Kunst bringt die Welt in Unordnung».
Denken wir an den Marquis Posa aus Schillers Don Carlos von 1787. Der Marquis sagt dort zum spanischen König Philipp II.: «Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!» Wir begreifen, wenn die Oberen an solchen Ideen keine Freude haben. Denn freie Gedanken könnten ja die bestehende Ordnung über den Haufen werfen — zum Vorteil des einfachen Volks!
Denken wir an die Maler im 19. Jahrhundert in Paris, an die Impressionisten und ihre Vorläufer. Dort ist Edouard Manets Bild «Déjeuner sur l'Herbe» 1863 von der Académie des Beaux Arts für die Jahresausstellung abgelehnt worden.
Die Herren Professoren bezeichneten das Werk als «schamloses, offensichtliches Ärgernis» — und Manet musste sein Bild im «Salon des Refusés» ausstellen.
Oder als der Jazz aufkam, diese neue Musik, wild und unordentlich, unwiderstehlich und sinnlich. Damals sagte Mr. Henry Van Dyck, Musik-Professor an der Princeton University: «Beim Jazz handelt es sich meiner Meinung nach überhaupt nicht um Musik. Es ist lediglich eine Reizung der Gehörnerven. Jazz ist eine reine Kakophonie, eine Abfolge unangenehmer Klänge in verworrenen Dissonanzen, eine vorsätzliche Scheusslichkeit und bewusste Vulgarität.»
Denken wir an die Nazis, die alle Kunst verboten, welche nicht ihrer Ordnung entsprach. Ungenehme Bücher wurden öffentlich verbrannt, zeitgenössische Bilder wurden in der Ausstellung «Entartete Kunst» gezeigt — und Künstler wurden verhaftet, kamen ins Gefängnis oder ins KZ.
Oder ganz aktuell: Der Meret Oppenheim Brunnen in Bern — ein wunderbares Beispiel dafür, wie Kunst die Welt in Unordnung bringen kann! Noch heute, fast 25 Jahre nach dem Bau dieses Brunnens, können sich Politiker aufregen, Füdli-, Spiess- und andere Bürger, nur weil der Brunnen scheinbar nicht zur schönen Ordnung der Sandsteinfassaden passt, zu den Geranien und zu den Fahnen in der Altstadt.
Ja, wir merken es: Mit der Unordnung ist es eine ernste Sache. Darum ist es jetzt Zeit, endlich mit der Unordnung Schluss zu machen, Ordnung herzustellen und aufzuräumen, reinen Tisch zu machen. Und die Kunst neu zu ordnen, Platz sparend und übersichtlich!
Ja, wirklich: Es ist bitterer Ernst!
Aber keine Sorge. Einer hat das schon für uns gemacht: Ursus Wehrli hat ein Buch herausgegeben — es heisst «Kunst aufräumen».
Auf seiner Website lesen wir, dass er sich intensiv mit der modernen Kunst befasst habe. Dabei sei er zum Schluss gekommen, dass die Künstler oft gar nicht wüssten, wohin mit all den Farben und Formen. Drum habe er das für sie nun gemacht …
Übrigens, lesen wir weiter auf der Homepage, sei das Buch in jeder anständigen Buchhandlung zu kaufen. Das sind dann wohl auch die mit der schönen Ordnung …
Es ist schon klar, die Idee von Ursus Wehrli ist nicht so ganz ernst gemeint. Oder vielleicht doch?
Eines aber ist sicher: Fritz Steffen weiss ganz bestimmt, wohin er mit seinen Farben und Formen soll!
Er gibt den Farben die Chance, miteinander zu kämpfen, sich gegeneinander durchzusetzen. Er will wissen, wie sie wirken, wenn sie im Zentrum eines Bildes sind oder eher am Rand. Er redet mit ihnen, wie er mir gesagt hat — obschon sie ihm nicht antworten. Und auch wenn die Farben nichts sagen können: Ein Bild lasse sich dann keineswegs alles gefallen!
Fritz Steffen sucht die grosse Fläche, wie sie auch die Color Field Painters gerne haben, etwa Mark Rothko.
Aber er malt sie nicht einfach gleichmässig, monochrom, quasi «üni». Seine Flächen setzen sich zusammen aus unzähligen feinen Punkten und Flecken, aus Strichen und Linien, in verschiedenen Farben, aufgetragen in vielen Schichten … das können durchaus zwanzig oder mehr sein, hat er mir verraten.
Das gibt ihnen diese eigenartige Struktur, dieses besondere Vibrieren, diesen unvergleichlichen Swing.
Aber: Wir wissen es. Fritz Steffen hat mit grafischen Techniken angefangen, mit Lithos und Radierungen, mit Kohle, Bleistift und Feder. Und diese Liebe zum Strich, die lebt noch immer in ihm — und die kommt auch auf seinen Bildern zu ihrem Recht.
Immer gibt es irgendwo grafische Elemente und geheimnisvolle Figuren, hintergründige Symbole und irritierende Zeichen. Und die bringen dann die schöne Ordnung der Flächen in Unordnung — schaffen neue Spannungen und Überraschungen.
Und damit sind wir wieder beim Stichwort Unordnung … Bringt denn auch die Kunst von Fritz Steffen die Welt in Unordnung, unsere Welt, unser Leben?
Natürlich: Weil wir uns mit seinen Bilder auseinander setzen müssen, weil wir uns auf sie einlassen müssen.
Sie bringen Unordnung, weil sie nirgends in ein Clichée hinein passen und in keine Schublade, in keine Stilrichtung und keine Ordnung: Sie sind eben besonders, eigenständig und einmalig — einfach Stäffefritzes Bilder.
Sie bringen Unordnung, weil wir beim Betrachten seiner Bilder manchmal auch an seine Krankheit denken müssen, die seine Welt in Unordnung gebracht hat — und dann merken wir, dass auch unsere Welt plötzlich in Unordnung geraten könnte.
Sie bringen Unordnung, weil wir uns einfach in sie verlieben, an jeder Ausstellung ein Bild kaufen — und dann nicht wissen, wo wir es zu Hause aufhängen sollen, ohne die bestehende Ordnung durcheinander zu bringen.
Und letzten Sonntag hat eines seiner Bilder bei uns zu Hause noch ganz andere Unordnung gebracht: Ein Dübel hat sich aus der Wand gelöst — und das Bild (immerhin ein Meter auf einen Meter) ist mit einem riesigen Knall auf den Boden gekracht. Zum Glück hat nur der Rahmen Schaden genommen …
Und trotz allem: Nebst der Unordnung, die mit ihnen verbunden ist, haben Fritzens Bilder eine ganz besondere Harmonie, eine eigenartige Ruhe, Gelassenheit und Heiterkeit. Ja, auch eine Ordnung!
Ich habe mit ihm schon oft über seine Arbeit gesprochen, über seine Kunst, seine Bilder. Aber meistens hat er eigentlich dann doch nichts dazu gesagt. Er hat einfach geantwortet: Die Bilder sollen selber reden.
Dazu haben wir ja jetzt Zeit. Nehmen wir uns die Zeit, seine Bilder nicht nur zu betrachten, nein, hören wir ihnen auch zu:
Dann kommen wir vielleicht dem Rätsel auf die Spur, was das «Drehmoment» vom «Drehmomentan» unterscheidet, was vom «Grossen Drehmoment».
Dann entdecken wir bestimmt die Geschichte, die hinter dem «Löwenherz» steht.
Dann verstehen wir, warum auf dem Bild Nummer 12 das Ultramarin «fahl» ist.
Und dann hören wir die Melodien hinter dem «Sensation Rag», hinter dem «Andante», hinter dem «Tremolo».
Wir sehen es: Verschiedene seiner Bilder haben musikalische Titel. Musik spielte im Leben von Fritz Steffen immer ein wichtige Rolle, auch heute während der Vernissage – und es gibt ja dann im Verlauf der nächsten Zeit noch zwei Konzerte in der alten Kentaur: So wird die Ausstellung zu einem eigentlichen Kultur-Event.
Liebe Gäste, liege ich richtig, wenn ich Sie als ein besonderes Publikum einschätze?
Nicht so versnobt, gewöhnlich und passiv wie das normale Vernissagen-Cüpli-Smalltalk-Publikum? Ja?
Also sind Sie bereit, miteinander einen künstlerischen Beitrag an diese Vernissage zu leisten? Quasi eine Performance für Fritz? Ja?
Dann versuchen wirs also: Kommen wir zurück auf den Satz «Kunst bringt die Welt in Unordnung».
Wir bilden vier Gruppen — auf mein Zeichen hin sagt die 1. Gruppe: «Kunst», die 2. «Kunst bringt die Welt», die 3. «die Welt» und die 4. «in Unordnung» …
Und dann lassen Sie sich zu einem abwechselnden Sprechgesang dirigieren, etwa so: Kunst — Kunst — Kunst bringt die Welt — die Welt — in Unordnung — in Unordnung — Kunst bringt die Welt — Kunst — die Welt — in Unordnung …
Zum Schluss alle miteinander … damits wirklich wieder eine schöne Unordnung gibt!
Sehr gut, vielen Dank!
Lieber Fritz, diese kleine Performance ist unser aller Geschenk an deine Ausstellung.
Die grosse dunkelhäutige Sopranistin Jessye Norman hat einmal gesagt: «Ich finde, wir sind verpflichtet, die Kunst in all ihren Formen zu erforschen» … Recht hat sie: Und darum lade ich Sie nun ein, dies zu tun.
Doch halt: Ganz zum Schluss möchte ich noch kurz Ernst Barlach zitieren, den deutschen Bildhauer, Grafiker und Schriftsteller. Ernst Barlach lebte von 1870 bis 1938 und war Mitglied der «Berliner Secession», einer Vereinigung wichtiger Avant-Garde-Künstler um die Jahrhundertwende.
1937 haben die Nazis über 350 seiner Werken beschlagnahmt und einzelne in der Ausstellung «Entartete Kunst» gezeigt: Weil seine Skulpturen eben nicht in die nationalsozialistische Ordnung passten.
Ernst Barlach hat einen wunderbaren Satz gesagt: «Zu jeder Kunst gehören zwei: Einer, der sie macht, und einer, der sie braucht!»
Fritz, wir sind dir dankbar, dass du sie machst. Denn wir brauchen sie!
Werner Eichenberger, Vernissage vom 1. September 2006 «Neue Bilder in der Alten Kentaur»
Ausstellungen
Einzelausstellungen (Auswahl)
- 1979 Bad Ey, Sumiswald
- 1980 Café Pronto, Bern
- 1993 Kulturmühle, Lützelflüh
- 1996 Kulturmühle, Lützelflüh
- 1996 Kulturgruppe Rüegsau
- 2000 Librairie-Galerie Racine, Paris
- 2000 Schlosskeller, Schwarzenburg
- 2001 Hof3, Trubschachen,˂Sweet Georgia Brown˃
- 2003 Kulturmühle, Lützelflüh
- 2004 Schlosskeller, Fraubrunnen
- 2005 Gnomen-Atelier, Schwarzenburg
- 2006 Alte Kentaur, Lützelflüh, Patronat: Verein DorfläbeGrünenmatt
- 2010 Kulturmühle, Lützelflüh
- 2012 Schlosskeller, Fraubrunnen
- 2013 Seniorenresidenz Senevita, Burgdorf
- 2013 Galerie Rütihubelbad
- 2017 Zentrum Schlossmatt, Burgdorf
- 2015 Seniorenresidenz Senevita, Burgdorf
- 2018 Kulturmühle, Lützelflüh
Gruppenausstellungen (Auswahl)
- 1980 Alte Krone, Biel
- 1980 Galerie Rosenau, Zollikofen
- 1981 Altes Pfarrhaus, Schwarzenburg
- 1981 Provence, (NE)
- 1982 Alte Krone, Biel
- 1982 Stöcklikeller, Langnau
- 1983 Künstlergruppe 2vor12, in Langnau i.E.
- 1984 Galerie Chrämerhus, Ruswil (LU)
- 1986 Alte Seilerei, Mühledorf (SO)
- 1987 Galerie Toni Brechbühl, Grenchen
- 1994 Tivoli, Spreitenbach
- 2000 Forum, Rubigen
- 2014 Le Pavillon, Montet (VD)
- 2014 Atelier Worb, (Weihnachtsausstellung)
- 2015-16 Seniorenresidenz Senevita, Burgdorf, mit Markus Manz
- 2024 Mauerhoferhaus, Trubschachen, mit Regina Luginbühl, Markus Waber
Cartoon-Austellungen
- 1983 Goldschmiede-Atelier Imfeld, Küssnacht a.R. (Einzel)
- 1984 Bilderbuechlade, Bümpliz (Einzel)
- 1986 Dorfgalerie, Wynau
- 1988 Galerie GSMBK, Bern mit Mauricio Sorbello
- 1994 Heimatmuseum Agensteinhaus, Erlenbach (Einzel)
- 1998 1. Int. Cartoon Festival, Langnau
- 1998 Schaukäserei, Affoltern i/E
- 1999 1. Österr. Karikaturenfestival, Fedkirchen/Kärnten
- 1999 Kammeribodenbad, «Wild auf Wild» (Einzel)
- 2000 Galerie Bireboum, Zimmerwald
- 2002 2. Int. Cartoon Festival, Langnau
- 2004 3. Int. Cartoon Festival, Langnau
- 2006 Cartoonmuseum Basel, mit Hans Ruedi Wüthrich
- 2007 «Furore»GEWA, Lützelflüh, Patronat: Verein Dorfläbe Grünenmatt
- 2007 4. Int. Cartoon Festival, Langnau
- 2010 5. Int. Cartoon Festival, Langnau
- 2013 6. Int. Cartoon Festival, Langnau
- 2018 Hofstetten b.Brienz, Cartoons in der Alpenrose (Einzel)