Fritz Steffen

Inhaltsbereich: Radio, Radio …

Sommerklar
Fritz Steffen, David Märki, Daniel Schmidt

Radio ist ein wunderbares Medium: schnell, direkt und sinnlich. Und Radio lässt seinem Publikum Raum und Freiheiten, die ihm Fernsehen nicht lässt. Radio kann zum Kino im Kopf werden, wenn Zwischentöne, Obertöne, Untertöne übertragen werden und sich zu unsichtbaren Bilder-Geschichten zusammensetzten.

Radio kann Ihnen zum Beispiel vom Atelier des Meisters berichten: von diesem Raum, der ist, wie man sich das Atelier eines Malers vorzustellen hat: lichtdurchflutet, ein Raum mit grossen Fenstern, im Zentrum die – natürlich farbbekleckerte – Staffelei des Meisters, dann Tische und Gestelle mit Leinwänden und Rahmen, die Kommode mit den flachen Schubladen für die grossen kostbaren Papierbogen, Kästen und Ablagen voller Farbtuben – und ringsum die Stapel von gegen die Wand gedrehten Bildern in unterschiedlichen Stadien der Vollendung, – wenn Sie für einen Augenblick die Augen schliessen, beginnen Sie wohl den Duft nach Farben, Ölen und Lösungsmitteln zu riechen, und vielleicht erscheint, ohne dass ich das wirklich erzähle, auch das unvermeidliche, zerschlissene, bordeauxrote Sofa mit dem unvermeidlich etwas fülligen Akt-Modell… — Schnitt!

Ich kann Ihnen spezifischer und persönlicher aus dem Atelier des Malers Fritz Steffen berichten: natürlich sieht's auch da aus, wie's beim Maler auszusehen hat: lichtdurchflutet, Staffelei, Kästen und Ablagen mit unzähligen Farbtuben, – Sie wissen schon – und natürlich seine Bilder in unterschiedlichen Stadien der Vollendung, die ich da mal stehen lassen will.

Da hat's auch Werkstücke des geschickten Handwerkers, der im Maler steckt; da verbergen sich auch Geschichten des kreativen Recyclers. Nehmen wir zum Beispiel den kleinen Korpus, mit den zwei dutzend Schublädchen: erkennbar self-made. Offen bleibt, ob der Meister das Möbelchen aus wirklichem Bedarf selbst geschreinert hat – oder allenfalls aus Ratlosigkeit vor der leeren Leinwand zwischenzeitlich etwas Handfesteres in Angriff genommen hat. Oder nehmen wir dort den Stapel dicker Kartons: einst bestimmt fürs Pflanzenpressen der herbarisierenden Tante, später zweckentfremdet und zum Malgrund mutiert, heute an der Wand der Schloss-Galerie Fraubrunnen verkäuflich! — Schnitt!

Ich kann im Stil einer Home-Story auf das Umfeld des Malers fokussieren, seinen Sohn Lukas erzählen lassen, wie oft er seinen Schulkollegen und Gspänli die berufliche Tätigkeit des Vaters zu erklären, auszudeutschen hatte – nein, nicht Maler, du Gipser – sondern Maler und Künstler; oder zum Beispiel auch erklären lassen, wie gäbig der Beruf des Vaters für den kleinen Drittklässler war: dieser Vater war ja stets im Atelier zu finden: in typischer Pose an der Arbeit, Pinsel in der Hand, Kaffeetasse in Griffnähe, Zigarette am Qualmen, Radioapparat am Laufen; gleichzeitig war schon dem noch kleinen Lukas sehr bewusst, dass der Vater keinen gäbigen Job hatte wie andere Väter – mit regelmässigem Lohn am 25.

Ich kann die Home-Story weiterführen mit Tochter Eva: fernab von zu Hause stets stolz darauf, einen aussergewöhnlichen Vater vorweisen zu können: eben keinen kommunen Doktor med., Dachdecker oder Diplom-Ingenieur. Und die sich Indoor so manchen zähen Streit mit diesem – wohl artverwandten – dickköpfig-beharrlichen Alten geliefert hat… Mit diesem aussergewöhnlichen Kunstmaler-Vater, in dessen Atelier das Licht oft weit nach Mitternacht ausgeht – und den dieser dickköpfig-beharrliche Weg – oder sture Grind – wie's in Evas O-Ton heisst – (oder: konsequent – in sprachlicher Korrektheit) durch fast drei Jahrzehnte genau dahin geführt hat, wo wir ihn heute hier finden. — Schnitt!

Ich kann Fritz Steffen selber zu Wort kommen lassen – im Radio- Interview zum Beispiel Schritt für Schritt über die Atelier-Anfänge in der alten Hutfabrik, übers Schlössli, das vornehmer klingt als es war, was für die nachfolgende Fabrikantenvilla in Goldbach ebenso gilt – und chronologisch weiter bis zur heutigen Wirkungsstätte in Grünenmatt…

Ich kann in diesem Gespräch den Künstler nachdenklich nachdenken lassen über seinen täglichen Kampf mit der sprichwörtlichen «künstlerischen Freiheit» seines Berufs, über die mühsame Suche im Wegnetz dieser Freiheit, die oft genug in der Sackgasse endet…

Mit der Ernsthaftigkeit eines Arztes, der sagt «Vorsicht, Stress macht krank», sagt Steffen in diesem Interview einen Satz wie «Aufpassen, Rot macht müde». Er bekennt, dass er jeden Tag mit neuem Gwunder auf das ermüdende Rot und alle andern Farben losgeht. Er macht uns klar, dass seine Bilder ihm und uns Geschichten erzählen; und es ist ebenso klar, dass diese Geschichten unausgesprochen bleiben müssen.

Und natürlich montiere ich als Radio-Macher das wunderbare Statement, «ihm sei in all den Jahren noch nie auch nur eine Sekunde langweilig gewesen beim Malen» als hochwirksame Schlusspointe ganz ans Ende des fiktiven Radio-Gesprächs…

Sie hören, Radio ist ein wunderbares Medium und Radio kann alles. Fast alles – oder doch ziemlich viel. Und stösst hin und wieder an Grenzen. Dann nämlich, wenn – was zum Thema gesagt werden sollte, nicht gesagt werden kann: sich nicht in Worte fassen lässt

Wo's eben – zwingend – um Bilder geht: wie hier und heute. Um die Bilder von Fritz Steffen, in denen er uns in seinen Farben, mit eigenen Formen, in eigener Ordnung und eigenem Rhythmus – in seiner Sprache – seine grossen und kleinen Geschichten erzählt…

Von allen Radio-Machern der ganzen Welt hört man an diesem Punkt zur Sprachlosigkeit immer den einen gleichen Satz: je nach Temperament ärgerlich, resigniert, wütend oder verzweifelt: «Gopferteli: jitz müesst me Bilder ha!»

Zum Glück «heimer se» – öffnen Sie die Augen, sehen Sie zu!

Vernissagerede zur Ausstellung von Fritz Steffen im Schlosskeller Fraubrunnen, 24. April 2004 von Daniel Schmidt, Radiojournalist SRDRS.

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Fritz Steffen · Mühlebachweg 12 · CH-3452 Grünenmatt
Telefon: +41 34 461 15 17 · E-Mail: fritz_art (at) gmx (punkt) ch